30.12.2003

"Wir haben uns selbst enteignet" Artikel über die Stromerstiftung und Burg Grünsberg


Familie wandelte Besitz in eine Stiftung um, damit Burg Grünsberg eine Zukunft hat
Artikel vom 30.12.2003 im Regionalteil der Nürnberger Nachrichten von Horst M. Auer

Wovon andere nur träumen können, das ist für sie Alltag: ein Leben auf der eigenen Burg. Doch spätestens wenn nachts der Wind durch alle Ritzen pfeift und morsche Fundamente bröckeln, werden romantische Fantasien für so manchen Burgbesitzer schnell zum Albtraum. Welche Kraftanstrengungen nötig sind, das historische Erbe der Urahnen zu erhalten, zeigt das Beispiel der freiherrlichen Familie Stromer von Reichenbach mit Burg Grünsberg bei Altdorf.
Auf einem Felsvorprung in einer Seitenschlucht des Schwarzachtals thront Burg Grünsberg. An drei Seiten der wehrhaften Mauern bieten Steilhänge zusätzlichen Schutz. Getrübt wird die idyllische Lage am Waldrand nur durch den Autoverkehr, der auf der viel befahrenen Straße Altdorf-Burgthann vorbeirauscht.
Etliche Nürnberger Patriziergeschlechter waren in den vergangenen fünf Jahrhunderten Burgherren des Adelssitzes aus der Stauferzeit. Anfang des 18. Jahrhunderts wandelten die Paumgartner das Hauptgebäde in ein Schloss mit repräsentativen Räumen um. Mit Vorburg, Kapelle und Palas, mit Ecktürmchen und Torhaus wirkt das Baudenkmal noch heute wie das Musterbeispiel einer kleinen mittelalterlichen Burg. "Nur die Zugbrücke fehlt”, sagt Rotraut Freifrau Stromer von Reichenbach-Baumbauer.
Vor 250 Jahren war Grünsberg in den Besitz der Patrizierfamilie gekommen. Fachleute rechnen die Anlage zu den schönsten Herrensitzen im Nürnberger Land. Wenn sich das mächtige Burgtor öffnet, fällt der Blick in einen verträumten Innenhof mit Remise und Wehrgang. Oder auf das so genannte Billardhäuschen, wo sich einst die Professoren der Altdorfer Universität zum Spiel trafen. Museumscharakter haben die stuckverzierten, mit vielen Kunstschätzen und wertvollen Möbeln ausgestatteten Räume im Herrenhaus. Hier scheint die Zeit seit 1720 still zu stehen.
Im ersten Obergeschoss lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1999 Prof. Wolfgang Freiherr Stromer von Reichenbach. "Er hat immer mit Herzblut für die Erhaltung des Baudenkmals gekämpft", erinnert sich seine Tochter. Alles, was er aus dem Stromer’schen Gut - 86 Hektar Ländereien, davon 50 Hektar Wald - über viele Jahre hinweg erwirtschaftete, floss in die Sanierung der Burg, die seit 1943 unter Denkmalschutz steht.

Kurz vor seinem Tod stellte er die Weichen für die Gründung einer öffentlichen Stiftung. Diese "Stromer’sche Kulturgut-, Denkmal- und Naturstiftung" gibt es seit 2000. "Wir haben uns praktisch selbst enteignet", sagt Stromer-Baumbauer über sich und ihre ebenfalls erbberechtigten Geschwister, von denen zwei auf der Burg oder in einem Nebengebäude wohnen. "Uns gehört hier kein einziger Stein mehr". Auch Stromer-Baumbauer hat ein Wohnrecht in Grünsberg, lebt aber in einem Reihenhaus in Erlangen. Hier hat die Klavierlehrerin ihren Lebensmittelpunkt, genießt es, mit dem Fahrrad zum Einkaufen ins Zentrum zu fahren. Nun ist sie (ehrenamtliche) Verwalterin der Burg, in der sie als Großstadtkind mit ihrem Vater früher oft in den Sommermonaten wohnte. Einen Patriziersitz wie Grünsberg baulich in Schuss zu halten, ist ein Kraftakt ohne Ende, weiß die Administratorin. Ihr ist aber auch allzu gut bewusst, dass sich die Familie ohne die Stiftung wohl gezwungen gesehen hätte, das historische Erbe zu verkaufen. Nur die im Jahr 2000 gefundene Lösung berechtige zur Hoffnung, "dass nicht in alle Winde zerstreut wird, was über Jahrhunderte aufgebaut worden ist." Mit den Erträgen aus der Stiftung werden nicht nur die Unterhalts-, sondern auch Instandsetzungskosten bestritten. 2001 wurde der erste Bauabschnitt der Generalsanierung abgeschlossen. 700 000 Euro kosteten die Arbeiten. Die Stromers haben 168 000 Euro beigesteuert und dafür ihre Familienschatulle geplündert. Der Rest konnte durch öffentliche Fördermittel beglichen werden. Demnächst sind marode Kamine und die Dächer des Wehrgangs herzurichten. Dazu kommen statische Probleme an den Steilhängen über der Schlucht. Am Billardhaus, so Stromer-Baumbauer, "drohen die Ecken wegzubrechen. Die halten nur noch aus Gewohnheit". Auf 2,5 Millionen summieren sich die Kosten für den anstehenden zweiten Bauabschnitt. Gäbe es Stiftung und Zuschüsse der öffentlichen Hand nicht, wäre die Last nicht zu schultern. Zur Finanzierung muss aber auch "Tafelsilber" herhalten: Eingeplant ist der Erlös aus dem Verkauf von Grundstücken am Ortsrand von Grünsberg, wo Bauland entstehen soll. Klar ist: Ohne die gemeinnützige Stiftung würden auch die öffentlichen Zuschüsse für das überregional bedeutende Ensemble spärlicher fließen.


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